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24. April 2024
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Tourismus – Fluch oder Segen?

Spätestens seit der Finanzkrise ist der Tourismus für Island eine existentielle Einnahmequelle geworden. Abseits von wilden Spekulationen, Devisenkrediten und der puren Gier hat sich Island auf seine Kernkompetenzen zurück besonnen. Energie, Fischerei und Tourismus stellen wesentliche Produkte Islands dar, die sich im internationalen Markt gut platzieren lassen. Tourismus spielt dabei eine wesentliche Rolle und Island hat in den letzten Jahren viel in Marketingmaßnahmen investiert. „Inspired by Iceland“ ist eine der größten Initiativen, die Island weltweit als Reiseziel platziert hat. Entstanden war diese Kampagne als Reaktion auf den Ausbruch des Eyjafjallajökull in 2010 und der daraus entstandenen Sorge, dass die Touristen dem Land wegen der Gefahr von Vulkanausbrüchen fern bleiben würden.

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Und die Aktion hatte Erfolg oder waren es doch die Ausbrüche, die mehr Neugierige ins Land lockten, als Island vermutete? Spaß beiseite, die Aktion hat über die Jahre bemerkenswerte neue Marketingideen umgesetzt, wie zum Beispiel die Aktion, dass Isländer Touristen zu sich einladen, um mit ihnen etwas typisch isländisches zu erleben. Aber sicher jedem ist der Videoclip mit dem Song „Jungle Drum“ von Emiliana Torrini in Erinnerung geblieben. Dieser zeigt Isländer und Naturschauplätze Islands in solch animierender Art, dass es einem schwer fällt, nach diesem Video nicht den Wunsch zu haben, Island zu bereisen.

Haben sich die Isländer zu Beginn der 2000er noch darüber gefreut, so viele Touristen wie Einwohner zu haben, werden für 2015 bis zu 1,4 Millionen Touristen erwartet. Doch was auf der einen Seite ein Segen ist, stellt zugleich einen Fluch dar. So richtig ist man auf diese Vielzahl Menschen nicht ausgerichtet. Neue Unterkünfte wurden in der Vergangenheit viele geschaffen und einige Isländer, insbesondere in Reykjavík, haben die Plattform Airbnb für sich entdeckt und vermieten ihre Wohnungen und Häuser temporär an Touristen. Unterkünfte sind auch nicht zwingend das Problem, wenn gleich sich das Stadtbild Reykjavíks in den letzten Jahren durch viele neue Hotels und Gästehäuser in alten Gebäuden, aber auch Neubauten verändert hat.

Das Problem ist der legere Umgang der Isländer mit der Natur. Die meisten Naturschauplätze sind wirkliche Naturschauplätze. Es ist nichts eingezäunt, nichts mit Absperrungen oder Warnschildern versehen und auch nichts von ständig anwesendem Personal bewacht. Alles war und ist noch weitestgehend sich selbst überlassen. Gerade das hat für viele Island Touristen den besonderen Reiz ausgemacht. Sich ganz nah an der Natur zu fühlen und diese unverbraucht von Mensches Hand für sich genießen zu dürfen. Aber das geht nur solange gut, wie sich die Anzahl der Besucher in Grenzen hält und diese auch zu schätzen wissen, was sie dort noch vorfinden. Island ist gerade „in“. Viele Touristen wollen dieses Land und die Natur erleben. Doch mit vielen Touristen kommen auch viele, die die freie Zugänglichkeit der Natur und der Naturschauplätze mißinterpretieren, die die Unreguliertheit Islands als Aufforderung verstehen, alles machen zu dürfen.

Und so wurde aus dem Segen ein Fluch, denn in den isländischen Medien häufen sich die Artikel und Berichte über Touristen, die den Isländern zum Problem werden. Zum Beispiel über Touristen, die wild in Nationalparks campen und die empfindliche Vegetation durch Ausheben von Kuhlen für den Zeltaufbau zerstören. Oder über Touristen, die aus Unwissenheit oder Dreistheit mit ihren Fahrzeugen Offroad ins Gelände fahren und Spaß daran finden, mit den Reifen Spuren zu hinterlassen. Bis hin zu Touristen, die auf Schulhöfen oder anderen öffentlichen Plätzen campen und ihre Notdurft an Stellen hinterlassen, an denen es der Isländer nicht vermuten würde. Das hat die Isländer bereits zu einem neuen Verbotsschild veranlasst, welches einen hockenden Menschen zeigt, welcher mit einem roten Balken durchgestrichen ist.

Es ist schon fast wie ein im wahrsten Sinne shitstorm in den isländischen Medien. Gefühlt vergeht kaum ein Tag, an dem nicht wieder ein neuer Bericht über Fehlverhalten von Touristen erscheint. Viele der Naturschauplätze liegen auf privaten Grund, was den einen oder anderen Besitzer in seiner Verzweiflung schon zur Sperrung seiner Ländereien oder Unbrauchbarmachung von Hot Pots bewegt hat. Andere haben begonnen, ihre Ländereien einzuzäunen und nehmen oder nahmen Eintritt. Dies wurde aber in Island wiederum sehr kontrovers diskutiert und manch einem Landbesitzer wurde diese Vorgehensweise wieder untersagt.

Diskutiert wurde die Einführung eines Naturpasses, aber die Behörden Islands könnten sich bisher nicht auf ein Modell einigen. Fakt ist, dass Island handeln muss. Zum Schutz der Natur. Zum Schutz der unbedarften Touristen und auch zum Schutz des Tourismus. Sollte der Hype um Island anhalten und sich die Touristenzahlen auf diesem hohen Niveau einpendeln, wird es keine andere Lösung geben, als Dinge zu regulieren.

So sehr dies auch die Touristen stören wird, die Island in den vergangenen Jahren genau wegen dieses unregulierten Zustandes besucht haben. Aber die Menge an Menschen, die sich an den wesentlichen Sehenswürdigkeiten einfinden, bedürfen einer strikteren Begleitung und auch Aufklärung. Dazu werden zusätzliche Mittel nötig sein. Die Diskussion um einen Naturpass war meines Erachtens die Richtige und muss fortgeführt werden. Ich will mir nicht anmaßen, dass alles in Gänze beurteilen zu können, aber das was ich während meiner Aufenthalte selbst beobachten konnte und was in diversen Foren diskutiert wird, lässt genau diesen Rückschluss zu.

Um Island weiterhin als attraktives Urlaubsland zu erhalten, müssen nachhaltige Konzepte entwickelt und umgesetzt werden. Ich bin mir aber sicher, dass der Isländer hiermit genau so pfiffig umgehen wird, wie er es mit dem Marketing seines Landes bewiesen hat. Bei der Gelegenheit: Unabhängig von den steigenden Touristenzahlen gibt es noch zwei Dinge, die die Isländer ebenfalls nicht mögen, was aber von vielen Touristen gemacht wird. Erstens mögen die Isländer nicht, dass überall und teils in Massen Steinhaufen gebaut werden. Erst dieses Jahr wurde in einer großen Aktion das große Steinhaufenfeld in der Nähe des Þingvellir komplett abgebaut. Und zweitens sind die zahlreichen Gewässer Islands keine Wunschbrunnen. Also lassen Sie es am besten, dort Münzen hinein zu werfen und sich was zu wünschen. Diese Wünsche gehen nicht in Erfüllung. Wenn Sie sich was wünschen wollen, dann müssen Sie zum Helgafell bei Stykkishólmur gehen. Dort gehen die Wünsche auch in Erfüllung.

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