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24. April 2024
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12 Tónar

12 Tónar – für viele ist es der Laden für isländische Musik im Zentrum Reykjavíks – ein Besuch bei 12 Tónar gehört einfach dazu und ist schon fast wichtiger als Geysir oder Gullfoss. Claus Sterneck lebt seit 6 Jahren in Reykjavík (siehe Artikel vom 15.10.2012) und ist Betreiber der Internetseite http://www.claus-in-iceland.com. Des weiteren veröffentlicht er seit Anfang 2012 täglich ein Bild, welches am selben Tag in Island aufgenommen wurde, auf seiner Facebook Seite https://www.facebook.com/claus.in.iceland. Er führte mit Jóhannes, einem der Inhaber 12 Tónars ein Interview, welches ich auf Zauber des Nordens veröffentlichen darf. Vielen Dank, Claus!

Vor rund 16 Jahren hatten die Musikfans und Freunde Jóhannes und Lárus sich dazu entschlossen, einen Laden für etwas andere, unkonventionellere Musik zu eröffnen – in den Regalen fand man damals vorrangig Klassik, moderne Klassik, Avantgarde, World-Music und Reggae (auf Vinyl, als Direktimport aus Jamaika) Dies war zu dieser Zeit – in der Tat – sehr ungewöhnlich auf Island. Im Laufe der Zeit wurde der Laden zu einem Treffpunkt für Musiker und Liebhaber unkonventioneller Musik. Dies war im Grunde auch von Anfang an Jóhannes’ und Lárus’ Ziel: einen Treffpunkt für Musiker und Musikinteressierte anzubieten. Bis heute verfolgen die Inhaber diese ‚Philosophie‘ – auf dem Sofa im blauen Raum sitzen, Small Talk und Fachgespräche führen und bei einer Tasse Espresso neue und alte isländische Musik anhören.
Ebenso von Anfang an wollte man nicht nur Schallplatten und CDs verkaufen, sondern auch Musik produzieren bzw veröffentlichen. Es dauerte einige Jahre bis die erste Veröffentlichung auf dem Label „12 Tónar“ erschien: Die zweite CD der färöischen Sängerin Eivør Pálsdóttir. Heute sind es mehr als 70 Titel, auf deren Rückseite man das Logo von 12 Tónar sieht. Das besondere dabei ist, das man sich auf keinen besonderen Musikstil spezialisiert. Neben Klassik sind auch Punk und Rock, Filmmusik, passende CDs zum Weihnachtsfest, experimentelle und elektronische Musik und einiges mehr im Veröffentlichungskatalog von 12 Tónar zu finden. Und genau diese Vielfalt spiegelt auch den persönlichen Musikgeschmack von Jóhannes und Lárus wieder.

JóhannesIch fragte Jóhannes, ob und wie sich „Digitale Musik“ (MP3, Online-Verkauf) auf den isländischen Musikmarkt bemerkbar macht. Johannes sieht die Entwicklung ganz und gar nicht negativ, er befürwortet diese gar (hach, ich liebe das positive und pragmatische Denken vieler Isländer!). Die Verkaufszahlen von CDs zeigen nämlich einen klaren Trend nach oben: Die letzten zwei Jahre stieg die Zahl der verkauften CDs jährlich und schon jetzt verspricht 2014 eine ähnliche Entwicklung. Natürlich sind diese Zahlen auch in der guten isländischen Musik und den neugierigen Gästen begründet ;-). Johannes sagt: „There is something in human nature – we want to hoard a little bit – and now you can do it in different ways. You can do it in the digital way but in many cases you also want to have the physical thing as well. […] The main thing is that people are listening!“. Mit dem Internet ist es auch viel einfacher neue Musik zu erkunden – „ … this is brilliant!“, so Jóhannes.

Viele Kunden wollen ein Stück reales Island zu Hause haben – in Form einer CD. Und sie wollen auch ganz bewusst die isländische Musikszene – Musiker, Label und Geschäfte – unterstützen. Eine Island-Liebhaberin meinte kürzlich: „Eine CD mit schönem Cover ist auch Kunst – Artwork! Und viele der isländischen Veröffentlichungen sind Kunst – visuell und akustisch“.

Am Ende des Gespräches fragte ich Jóhannes nach seinen aktuellen Favoriten: Samaris (Jóhannes über die in Kürze erscheinende neue CD Silkidrangar: „It is beauty, it is power“), Rökkurró, die neue Veröffentlichung „Sounds of Merrymaking“ von Skakkamanage (die wir während des Gespräches hörten, auch meine Empfehlung). In Sachen Klassik liegt die neue CD von Gitarrist Kristinn Árnason (Klassische Gitarre) häufiger im CD-Spieler – Musik, die Ausschnitte aus nahezu 500 Jahre Musikgeschichte neu interpretiert (natürlich auf 12 Tónar veröffentlicht).

Das Besondere an der isländischen Musik ist, dass diese und die Macher, also Musiker und Label, Läden und Konzertveranstalter auf dem Boden bleiben und sich gegenseitig unterstützen. Selbst die Musik-Läden untereinander helfen sich aus – hier gibt es gute Zusammenarbeit, denn sie decken unterschiedliche Bereiche ab und haben somit auch z. T. ihre eigenen Zielgruppen. Man kennt sich eben auch – Reykjavík ist sehr überschaubar.

Doch was macht die isländische Musik aus? Jóhannes meint hierzu passenderweise: „Da musst du unsere Gäste fragen …“ (was ich auch anschliessend tat). Er fügte dennoch hinzu: „ … já, definitely a certain sound and a special feeling that you can hear in the music of many Icelandic artists and bands.“, man denke da z.B. an Jóhann Jóhannsson, Amiina, Sigur Rós, Jónsi, Ólafur Arnalds. Diese Musik ist für Jóhannes weniger melancholisch, mehr „slow, mystical, magical“.

Ich fragte anschliessend noch zwei Gäste aus Berlin (Anika und Matthias), was sie über die isländische Musik denken. Anika konnte mir nicht auf Anhieb sagen, was das ‚Zauberrezept‘ dieser Musik sei. Aus ihrer Sicht passt die Musik zu diesem Land, zu dieser Landschaft. Sie vermutet, dass viele Musiker ihr Land, die Natur und Landschaft, die Dunkel- und Helligkeit, Nordlichter, das raue Wetter in ihrer Musik mit einbeziehen und verarbeiten. Und weil es in Island kaum Industrie gibt (ein Aspekt den ich sehr interessant finde!). Daher ist es auch eher unwahrscheinlich, dass z.B. in Deutschland solche Bands gegründet werden bzw solche Musik geschrieben wird …

Ich danke Jóhannes von 12 Tónar für das Interview. Ihr findet 12 Tónar in der Strasse Skólavörðustíg 15 (die Strasse, die zur Hallgrímskirkja führt) und in der HARPA. Digital ist 12 Tónar auf http://www.12tonar.com und auf Facebook: https://www.facebook.com/pages/12-T%C3%B3nar/28436755255 zu finden.
Ebenso Danke an Anika und Matthias.

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