Die Westfjorde sind eine entlegene Region im Nordwesten Islands. Die Küstenlinie ist von etlichen Fjorden stark zerfurcht. So stellen die Westfjorde rund 1/3 der Küstenlinie Islands. Die Westfjorde sind sehr dünn besiedelt und viele der ursprünglichen Einwohner haben ihre Höfe und Häuser aufgegeben und sind nach Reykjavík gezogen.
Aber genau diese Einsamkeit macht den Reiz der Westfjorde aus und lockt immer mehr Touristen abseits der Hauptpfade. Um in die Westfjorde zu reisen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Es bietet sich an, die Westfjorde mit dem Auto zu bereisen. Mit dem Auto kann man von Stykkishólmur mit der Fähre Baldur nach Brjánslækur übersetzen. Die Fähre fährt in den Sommermonaten zweimal täglich nach Brjánslækur. Die Fahrt dauert ca. 3 Stunden und beinhaltet einem kurzen Zwischenstopp an der Insel Flatey.
Oder man fährt mit dem Auto über die Straße 60 von Reykjavík kommend in den Süden bzw. Westen der Westfjorde. Alternativ kann man von Akureyri kommend über die Straße 61 in den Osten bzw. Norden der Westfjorde einfahren. Eine weitere Möglichkeit ist der Flug mit der isländischen Fluggesellschaft Air Iceland von Reykjavík nach Ísafjörður. Wir haben uns für die Überfahrt mit der Fähre entschieden, um ausgeruht in den Westfjorden anzukommen. Bei der Fahrt mit dem eigenen oder geliehenen Wagen bietet sich auf jeden Fall ein allradgetriebenes und geländegängiges Fahrzeug an. Die Nebenstraßen sind in der Regel ausschließlich Schotterpisten und setzen einen gewissen Federungskomfort des Fahrzeugs voraus, wenn man nicht allzu gestresst reisen will.
Der Kurzfilm „Vestfirðir – Westfjords – Westfjorde“ beginnt in Stykkishólmur, wo wir am Morgen auf die Fähre Baldur einschifften. Wir fuhren bei besten Wetter los und konnten auf der Überfahrt Zeuge eines isländischen Sprichwortes werden, welches sinngemäß besagt: „… willst Du anderes Wetter, dann warte eine Viertelstunde …“. So wechselte das Wetter auf der Überfahrt in kurzer Zeit zwischen strahlendem Sonnenschein zu einem nebligen und wolkenverhangenem Himmel.
In den Westfjorden angekommen fuhren wir zu unserer ersten Unterkunft, welche nur wenige Kilometer von Brjánslækur entfernt liegt. Das Hotel Flókalundur ist ein einfaches, aber gepflegtes Hotel, welches 15 Zimmer und eine Suite anbietet, die alle mit eigenem Bad/WC ausgestattet sind. Neben der Übernachtung bietet das Hotel ein Restaurant, in dem morgens das Frühstück, mittags von 11:00 – 14:00 Uhr eine Mittagskarte und abends zwischen 18:00 und 21:00 Uhr eine Abendkarte mit typischen Speisen (Suppen, Fischgerichte, Hamburger etc.) angeboten wird.
Nachdem wir uns mit einer Suppe gestärkt hatten, machten wir uns auf den Weg zu unserem ersten Tagesziel, den Steilklippen Látrabjarg. Nach Látrabjarg gelangt man über die Straße 612, die einige Kilometer vor Patreksfjörður von der Straße 62 abzweigt. Auf dem Weg dorthin fährt man längs des Fjords Patreksfjörður, dessen innerster Teil auch Ösafjörður genannt wird. Dort liegt ein gestrandetes Schiff, welches schon zu alt war und sich somit eine Bergung nicht mehr gelohnt hat. Heute bietet es, langsam vor sich hinrostend, ein beliebtes Fotomotiv für Reisende.
Die bis zu 434 Meter hohen Steilklippen von Látrabjarg sind Brutplatz für viele Seevögel, unter anderem auch für den Nationalvogel Islands, den Papageitaucher, in Island Lundi genannt. Der Papageitaucher kennt, obwohl er auch von Isländern gefangen und als Delikatesse gespeist wird, keine große Angst vor den zahllosen Menschen, die in den Sommermonaten, bewaffnet mit Kameras und Teleobjektiven auf der Suche nach einem guten Foto dieses sehr hübschen Vogels sind.
Nach der Übernachtung in Flókalundur ging es weiter zu unserem zweiten Etappenziel, der Stadt Ísafjörður. Dazu folgten wir der Straße 60 und passierten wundervolle Fjorde, deren Farben im Licht der Sonne kräftig leuchten. Ungefähr nach einem Drittel der Strecke kamen wir im Borgarfjörður am Dynjandi vorbei. Er ist der größte Wasserfall in den Westfjorden und fällt über eine kaskadierende Felstreppe 100 Meter in die Tiefe. Am Morgen waren nur wenige Menschen vor Ort und wir konnten dieses Naturschauspiel fast für uns alleine geniessen. Unterhalb des Dynjandi ist eine Campingmöglichkeit mit öffentlichen Duschen und Toiletten, die bei unserem Besuch sehr gepflegt waren.
Kurz vor Ísafjörður mündet die Straße 60 in einen ca. 9 km langen und einspurigen Tunnel, der ins massive Gestein gehauen ist. Beeindruckt von der einspurigen Führung und der stetigen Sorge, was passiert, wenn einem ein dicker LKW entgegen kommen sollte, waren wir noch mehr erstaunt, dass es in dem Tunnel sogar eine Abzweigung gibt, die nach Suðureyri führt.
Nach Durchqueren des Tunnels öffnete sich vor uns der Skutulsfjörður, an dessen Ende die Stadt Ísafjörður liegt. Ísafjörður ist mit ca. 4.000 Einwohnern die größte Stadt in den Westfjorden. Sie liegt auf einer Sandbank, die immer wieder aufgeschüttet wurde, um Neuland zu gewinnen. Die Menschen leben in diesem entlegenen Teil Islands primär vom Fischfang und Tourismus. In Ísafjörður wohnten wir im gleichnamigen Hotel, dem Hotel Ísafjörður. Es bietet 36 modern ausgestattete Zimmer, alle mit eigener Dusche und WC. Im Hotel gibt es auch ein Restaurant, welches wir aber nicht ausprobiert haben.
Am nächsten Tag ging es weiter zum dritten Etappenziel, dem Hotel Laugarholl in der Nähe von Hólmavík. Dazu fuhren wir über die Straße 61 längs des Ísafjarðardjúp. Auf unserer Fahrt passierten wir eine Vielzahl von Fjorden, deren Schönheit uns immer wieder ins Staunen versetzte und so mussten wir gefühlt alle paar hundert Meter anhalten, um die Ruhe und Aussichten zu geniessen.
Unterwegs begegneten uns viele verlassene Gebäude, von denen eines durch seine besondere Architektur hervorstach. Arngerðareyri sind zwei verlassene Gebäude, idyllisch am Ísafjörður gelegen. Die besondere Bauweise mit den Zinnen stellt ein schönes Fotomotiv dar. Leider hatte ich mich nicht ins Innere des Gebäude gewagt. Weite Teile der Inneneinrichtung sind noch vorhanden und bieten ebenfalls tolle Fotomotive.
Von Laugarholl aus machten wir einen Ausflug nach Djúpavík, einer verlassenen Heringsfabrik am Reykjarfjörður, welche ich aus dem Film Heima von Sigur Rós kannte. Djúpavík wird heute ganzjährig von einem Ehepaar bewohnt, welches sich leidenschaftlich um den Erhalt dieses Abschnittes isländischer Geschichte kümmert. Im ehemaligen Wohnhaus der Arbeiterinnen betreiben sie ein Hotel, welches den gleichen Namen wie der Ort trägt: Hotel Djupavik. Die Verlassenheit dieses Ortes, gepaart mit der einzigartigen landschaftlichen Kulisse machen den besonderen Reiz von Djúpavík aus. Bei einem Besuch der Westfjorde sollte dieser Ort auf jeden Fall Bestandteil der Reiseroute sein. In Djúpavík lernten wir Claus Sterneck kennen, einen in Island lebenden Deutschen, der ebenfalls von Djúpavík in den Bann gezogen wurde und in den Sommermonaten einige Zeit dort verbringt. Er war so freundlich und hat uns neben einer Führung durch die Ausstellung Einblick in die alte Hernigsfabrik gegeben. Abends haben wir dann noch die Küche des Hotels Djúpavík ausprobiert und sehr leckeren Salzfisch mit Kartoffeln und Gemüse gegessen. Mit Wehmut haben wir diesen Ort wieder verlassen, werden aber auf jeden Fall dorthin zurück kehren.